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Haushaltsrede 2020

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen des Gremiums, geschätzte Bürgerinnen und Bürger der Stadt, liebe Gäste,

ich möchte die Gelegenheit an dieser Stelle nutzen und zunächst ein paar allgemeine Worte loswerden.

Als GRÜNE sind wir im letzten Jahr als Partei mit zwei Neu-Ratsmitgliedern gestartet. Daher bestand das erste halbe Jahr für uns besonders darin, uns in die Sachlagen einzuarbeiten. Dass wir neu im Gremium sind, bedeutet auch, dass viele der anstehenden Projekte noch vor unserer Zeit beraten und beschlossen wurden.

Nun aber konkret zum Haushalt, zu dem wir natürlich trotzdem einige Anmerkungen haben. Mit Zahlen halte ich mich bewusst etwas zurück – die Kolleginnen und Kollegen im Gremium und Bürgermeister Geider haben hier bereits gute Einblicke gewährt:

Das deutlich negative Gesamtergebnis hat uns zunächst überrascht und unvorbereitet getroffen. Insbesondere da Östringen in den Vorjahren besser da stand. Unter dem Licht der deutlich gesunkenen FAG-Zuweisungen, der zu Recht weiterhin hohen Investitionen, der konservativen Einnahmenplanung – aber lokal wirtschaftlich guten Situation, sowie dem konstant niedrigen europäischen Zinsniveau sind wir jedoch nicht besorgt.

Die aktuelle Devise – „Jetzt ist die beste Zeit um Schulden zu machen“ – gilt nicht nur im Privaten, sondern auch für die Gemeinden. Und manchmal heißt zukunftsgerichtet zu denken, auch mutig zu sein.

Wir wollen eine attraktive Stadt zum Leben, Wohnen und Arbeiten sein. Daher müssen wir nicht nur Vorhandenes bewahren, sondern auch mit Augenmaß und Verantwortungsbewusstsein in die Zukunft investieren.

Einige Themen sind uns dabei besonders wichtig. Die anstehenden Investitionen in die Schulen, Kindergärten und -krippen, und insbesondere in die Einrichtung des neuen Waldkindergartens – der ersten Gruppe in nicht-kirchlicher Trägerschaft – sind eine langfristige Investition in die Zukunft, deren Ertrag sich nicht finanziell, wohl aber in Kennzahlen der Attraktivität für ein nachhaltiges, sozialverträgliches Östringen und einer chancengleichen Gesellschaft messen lassen wird. Dies ist eine Investition in die Zukunft, nicht nur wegen der energetischen Sanierungen, sondern auch wegen der ausgebauten Kapazitäten und der fachlich überfälligen, heilpädagogischen Unterstützung. Dass wir hier noch nicht bei der Bedarfsdeckung angekommen sind, ist allen klar. Die Investitionen, insbesondere in die Kindergärten und -krippen, müssen wir also auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten.

Für Jugendliche gibt es allerdings noch einiges zu verbessern in der Gesamtstadt Östringen, angefangen bei Nahverkehr und Mobilität, bis hin zu Schaffung und Ausbau von Möglichkeiten zur selbstbestimmten Freizeitgestaltung. Erste Ansätze zur Jugendbeteiligung gab es zwar bereits in der Vergangenheit, wie man u.a. an dem aufwändigen und gelungenen Portfolio zur Spielplatzgestaltung sehen kann. Eine ernstgemeinte Jugendbeteiligung braucht jedoch mehr; mehr Offenheit, mehr Engagement und mehr Verständnis für die aktuellen Bedürfnisse und Lebenslagen junger Menschen. Einfache Umfragen reichen dafür nicht aus. Wir wünschen uns für die Zukunft größere und vielfältigere Anstrengungen, um Jugendliche und Heranwachsende in die politische und praktische Gestaltung unserer Kommune miteinzubeziehen und ihnen größere Mitspracherechte und Einflussmöglichkeiten zu erteilen.

Es ist bezeichnend, dass die Kolleginnen und Kollegen des Landkreises heute den Fakt, dass sich Jugendliche abends am Kirchberg wegen des dort vorhandenen freien WLANs treffen, als Herausforderung bezeichnen. Ich sehe dies als Chance, da es uns zeigt, was die Jugendlichen von heute wollen.

Unsere Feuerwehren werden neue Ausrüstung, namentlich einen Rüstwagen und neue MTW bekommen und wir sind sicher, dass auch das gut investiertes Geld in die öffentliche Sicherheit unserer Gemeinde ist.

Wir werden auch in diesem Jahr wieder einiges in die Fortführung des Breitbandausbaus investieren. Was zum einen eine Investition in das angenehme Leben der Bürger ist – denn weniger als 250 Mbit/s ist einfach nicht mehr zeitgemäß – ist auch eine Investition in die Attraktivität unserer Gemeinde als Gewerbesitz. Um unsere Investitionen in den kommenden Jahren zu finanzieren, ist die Ansiedlung von neuem Gewerbe unerlässlich und so auch die Veräußerung von Gemeindeflächen zur gewerblichen Nutzung. Wir müssen dabei allerdings darauf achten, dass wir durch die Auswahl der passenden Gewerbebetriebe nicht die ohnehin problematische Verkehrssituation in und um Östringen, besonders auf der stark belasteten Hauptstraße, weiter verschärfen.

Zu einem angenehmen Lebensumfeld gehört ein angenehmes Stadtklima. Unsere Grünanlagen könnten allerdings etwas mehr Budget vertragen. Ein seit Jahren stillliegender Brunnen hinter der Stadthalle eignet sich als gutes, bildhaftes Beispiel. Eine begrünte Stadt, begrünte Dächer und grüne Vorgärten statt Steingärten sorgen, insbesondere wenn ein Jahrhundertsommer den nächsten jagt, wenigstens für ein etwas angenehmeres Stadtklima. Wir werden hierzu das kommende Jahr hoffentlich für entsprechende Initiativen nutzen können. Wir müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit neu gebaute Gebäude dazu beitragen.

Und auch wenn wir als GRÜNE Innenraumverdichtung und das Nutzen vorhandener Bauplätze einem Neubaugebiet vorziehen, so sehen wir das Neubaugebiet Dinkelberg IV als nötigen Schritt an, um der Wohnraumknappheit zu begegnen. Entsprechend müssen aber auch Maßnahmen ergriffen werden, um energieeffizientes, umweltfreundliches und modernes Wohnen und Leben zu gewährleisten. Ökopunkte durch die Errichtung oder Erneuerung von Amphibienschutzeinrichtungen zu generieren ist nur ein halbherziger Ausgleich, ja im Grunde genommen ein Ablasshandel, der in den Augen vieler Bürgerinnen und Bürger eine Farce darstellen und zur politischen Karikatur werden wird, wenn er nicht gleichzeitig mit hohen Anforderungen an die Planung von Neubauten, an die Vorgaben für ökologisches und energieeffizientes Bauen und die naturnahe Gestaltung von Quartierskonzepte einhergehen wird.

Und damit kommen wir auch zu dem Thema, dass uns naturgemäß besonders am Herzen liegt, aber an dem inzwischen niemand mehr vorbeikommt – dem Umwelt- und insbesondere dem Klimaschutz. Dies umfasst einige Maßnahmen und Investitionen, die wir uns gewünscht hätten, auch weil sie teils seit einiger Zeit im Stadtentwicklungskonzept stehen. Wir sehen derzeit, was die Folgen des Klimawandels für uns bedeuten. Unser Stadtwald weist erhebliche Trockenschäden auf und muss nun unter massivem Geldeinsatz um- und aufgeforstet werden. Unabhängig davon, dass wir diese Maßnahmen absolut richtig und wichtig finden, so bleiben Sie dennoch nur die Folgenbewältigung. Genauso steht es mit der Baumpflanzaktion – auch das ist eine Folgenbewältigung des Klimawandels.

Wir vermissen mehr echte Visionsarbeit und weniger Reaktionsarbeit.

Es ist richtig, Östringen blickt auf eine ordentliche Umwelt- und Klimaschutzvergangenheit zurück. Im Energiebericht aus 2016 sieht man, dass wir den städtischen Stromverbrauch im Vergleich zu 1999 um 81%, den Wärmeverbrauch um 51% senken konnten. Das ist eine stattliche Leistung, auf die Östringen zu Recht stolz sein kann. Das soll uns ein Ansporn für weitere Maßnahmen und Einsparungen sein.

Auch das Nahwärmenetz und die weitere Investition in dasselbe verbessern unsere Bilanz noch weiter. Unserer Meinung nach hat das Nahwärmenetz auch nicht in erster Linie die Aufgabe, unbedingt Gewinne zu erwirtschaften oder eine Nullrechnung zu sein – oder anders – es muss kein mittelfristiges Wirtschaftsprojekt sein. Manches darf, manches muss vielleicht sogar Geld kosten, erst recht in der Anfangszeit. Das Nahwärmenetz muss in jedem Fall weiter ausgebaut werden. In den kommenden Jahren wird nach und nach die Erneuerung von Heizungsanlagen auch bei den Hausbesitzern notwendig werden – immer strengere gesetzliche Auflagen werden dies erzwingen. Liegt dann schon eine Nahwärmeleitung im Boden, wird es sich ein wirtschaftlich denkender Eigentümer zweimal überlegen, diese nicht zu nutzen.

Die Einsparungen im Vergleich zu 1999 wurden größtenteils durch kurzfristige und günstige Maßnahmen erreicht und beschränkten sich auf die städtischen Anlagen. Diese sind inzwischen ausgeschöpft. Nun gilt es dran zu bleiben und das Tempo beizubehalten.

Angesichts steigender Energiekosten sollten wir in den kommenden Jahren kreativ und ideenreich alle Möglichkeiten nutzen, um weitere Solaranlagen zu installieren. Die bestehenden städtischen Anlagen wurden allesamt im Jahr 2008 in Betrieb genommen – vor 12 Jahren. Es wird also vielleicht mal wieder Zeit, freie Dachflächen zu nutzen, derer wir noch viele im Gemeindebesitz haben. Ferner sollten wir unser in die Jahre gekommenes Zuschussprogramm für Solaranlagen der Bürgerinnen und Bürger ausbauen. Die Straßenbeleuchtung muss flächendeckend erneuert, das Car-Sharing Angebot weiter ausgebaut werden und es braucht Investitionen in Radwege und Radverkehrswegkonzepte.

Auch wenn Sie Herr Geider in der diesjährigen Neujahrsansprache einen Schwerpunkt auf Klima und Naturschutz gelegt haben, so sehen wir die Investitionen und Bemühungen in diesem Haushaltsjahr als nicht ausreichend an.

Wir als GRÜNE wollen Östringen in den kommenden Jahren zum Aushängeschild machen und gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat eine Klimaoffensive starten.

Einem Klimanotstand können auch wir nichts abgewinnen, sehr wohl aber konkreten Klimaschutzzielen. Denn nur wenn wir uns Ziele setzen, können wir unsere Erfolge messen und im Zweifel nachsteuern. Ohne Ziele erreicht man nichts. Wir wollen, dass Östringen beispielweise zu einer European-Energy-Award zertifizierten Gemeinde wird, dass wir uns für moderne Mobilitäts- und Wohnkonzepte einsetzen, dass wir Vorbild für die Gemeinde der Zukunft werden und öffentlich zeigen, wie es funktioniert! Natürlich müssen sich dafür auch Bund und Länder bewegen, insbesondere finanziell.

Denn die letzten 2 Dürresommer zeigen nicht nur Landwirten, Kleingärtnern und Förstern deutlich: Wir brauchen nicht „etwas“ Klimaschutz – wir brauchen alles was geht, auf allen Ebenen, Bund – Land – Kommune. Die Zeit für „viel“ ist vorbei. Wenn wir das 1,5 Grad Ziel reißen, hilft es nichts, wenn die Kirche im Dorf bleibt. Natürlich ist auch uns klar, dass wir als einzelne Gemeinde nicht die Welt retten werden. Aber wir können unseren Beitrag leisten und mutig voran gehen, vielleicht in manchen Bereichen ein Zeichen setzen.

Ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wenn an vielen kleinen Orten viele kleine Menschen viele kleine Dinge tun, wird sich das Angesicht unserer Erde verändern.“ Es ist an uns zu entscheiden in welcher Weise – gut oder schlecht. Die Erde verhandelt nicht mit uns. In der Verantwortung vor meiner und der Generation nach mir möchte ich nicht als ihr Stellvertreter verhandeln müssen.

Mit diesen allgemein gehaltenen Worten möchte ich dann auch zum Ende kommen.

Ich möchte mich noch bei den Kolleginnen und Kollegen, dem Bürgermeister und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken und wünsche uns allen ein gutes, diskussionsreiches und produktives Haushaltsjahr 2020.

Die Gruppe Bündnis 90/DIE GRÜNEN stimmt dem vorliegenden Haushaltsplan sowie den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe trotz der Kritikpunkte zu.

Stadtrat Andy May – Gruppensprecher für Bündnis 90/DIE GRÜNEN im Stadtparlament